Alexander Scharf
In den Tiefen der menschlichen Gefühlswelt befindet sich für mich die Antwort auf die Frage nach dem Echten, der Realität. Grundlegende Emotionen wie Hass und Liebe, besonders vertreten in der Pop Kultur – Film, Büchern, Social Media – werden in den Arbeiten mit eigenen Erfahrungen autophysiognomisch verwoben und widergespiegelt. Die Arbeit mit Narrativen und ihren Figuren stellt für mich eine grundlegende oder sogar (in der Kunst) überlebenswichtige Praxis dar.
Filme anschauen, Filme erneut sehen, anfangen sich darin wie ein immerzu willkommener Gast oder gar Bewohner zu fühlen; diese sich wiederholende Rückkehr zu Vertrautem ist im Hinblick der immer fortschreitenden Zeit und der damit einhergehenden persönlichen, emotionalen Entwicklung eine intellektuelle Auseinandersetzung zwischen Konsumiertem und eigener emotionaler Identität.
Über eine gewisse Lebenszeit hinweg werden Filme und deren Geschichten untrennbar mit unserem Leben und Freundschaften verwoben. Sie füttern unsere Gedanken und Wünsche, werden zu Narrativen unserer Träume und Sehnsüchte.
Der Lauf der Geschichte mit seinen Geschichten spielt die zentrale Rolle in der menschlichen Existenz. Nicht erst die Popkultur – bereits die Mythologien der Antike dienten dem Zweck, der Gesellschaft in ihrem alltäglichen Leben den Spiegel vorzuhalten; das Erleben, sich selbst als Zeuge wahrzunehmen.
Geschichten geben allem eine Form, ermöglichen konzeptuelle Einordnung willkürlicher Geistesblitze. Ermöglichen, diese Schritt für Schritt einzufangen, zu konkretisieren und das anfängliche Chaos in eine Ordnung zu weisen. Nur um sogleich folgend durch durchschreiten der Welt mit all ihren Interaktionen und Konversationen in einem neuen Chaos zu enden.
Es ist irgendwie merkwürdig, zugeben zu müssen, dass die zarten Klänge, welche die Passage der beklemmenden Leere für die Nostromo (1) öffnen, scheinbar die selben Synapsen verknüpfen, wie das Geborgenheitsgefühl, nach einer langen Reise endlich wieder Zuhause angekommen zu sein. Wird beispielsweise der Begriff „Technologie“ in den Raum geworfen, ist es völlig erdenklich, dass dabei die Vorstellung einer Katze in Erscheinung tritt, die ihre Krallen an einem Hosenbein wetzt – fast als wäre es unhinterfragbare Intuition.
Das Potential für Neu-Kontextualisierungen, neuen Geschichten wird in diesem Moment geboren. Das Feedbacksystem Vertrautes–Fremdes eröffnet Freiräume und kultiviert unsere Fantasie und Zukunft.
Jeder Mensch ist ein Container, wirr überfüllt mit aller Art Emotionen und Geschichten. Dieses im Fortgang unseres Daseins erzählte Potpourri an Gefühlswelten einzufangen, gelingt durch ein ebenso vielfältiges Repertoire an Medien: der ausgiebigen Recherche entspringen Skulpturen, immersive Installationen, 3D Animationen, Videoschnitt und Musik.
„‚You could say …’, er blickt mich an und denkt nach, ‚it’s a song about love.‘“ (2)
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(1) Im Film ALIEN von Ridley Scott (1979) ist „(d)ie USCSS Nostromo (.) ein Raumschiff der M-Klasse im Besitz des Weyland-Yutani-1-Konzernes. Im Jahre 2116 wurde das Schiff zu einem Raumtransporter mit einer Masse von 63.000 metrischen Tonnen umgerüstet, dessen Wert auf etwa 42 Millionen Dollar beziffert wird. Die Nostromo besitzt drei Decks und vier Frachträume. Gesteuert wird das Schiff von einem ‚Mutter‘ genannten Bordcomputer, der, ähnlich wie ein Autopilot, Anweisungen der Besatzungen entgegennimmt und ausführt.“ (Online unter: https://avp.fandom.com/de/wiki/Nostromo?veaction=edit, abgerufen am 17.06.2022).
(2) Randt, Leif (2011): Leuchtspielhaus, 2. Aufl., Berlin, Deutschland: Bloomsbury Verlag, S. 106.